Da war doch was...was ich noch zeigen wollte

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Montag, 20. Januar 2014

Eine ganz besondere Weihnachtsgeschichte

Hallo meine Lieben, Frohe Weihnachten und ein tolles, erlebnisreiches neues Jahr 2014 erst einmal! Hier bin ich wieder, mit einem ganzen Sack voller Geschichten, Gedanken, Einsichten und Aussichten die niedergeschrieben wollen! Los geht’s mit Weihnachten mal anders….als erwartet.

Wann brauche ich Deutschland, meine Familie und die gewohnten Traditionen?- Dieses Jahr nicht! - Falsch gedacht- und schon wurde am 1. Advent ein Adventskranz gebastelt. Adventskranz: zwar Weihnachten, aber trotzdem anders, mit Banane- und Kokospalmenblättern, getrockneten Schoten und natürlich 4 Kerzen, gehalten von leeren Kokosnüssen, aus dem Shop nebenan.
Mein erster schritt mich auf die Geburt Jesu vorzubereiten…und danach kam lange Zeit nichts mehr.

Gewohnter Alltag- den ich aber mit Geschenkideen kurz vor Weihnachten unterbrach: Orangenmarmelade hatte ich schon eingekocht und süß verpackt, nun kamen noch Weihnachtsplätzchen hinzu.  Weihnachtsplätzchen sind hier vollkommen unbekannt, dafür gibt es leckeren, braunen Gewürz- und Nusskuchen der- von jeden- an jeden- verschenkt wird. In der Stadt hatte ich mit einigem Suchen alle Zutaten zusammen die man für das Mürbeteigrezept „ein Teig- 10 Plätzchen“ aus der Brigitte braucht. Als Butterersatz (ich habe nämlich noch keine ungesalzene gefunden) tut es Apfelmus. Im benachbarten Hostel, das einen richtigen Oven hat, hatte ich mich angekündigt und wurde von 5 spannend wartenden Schwestern herzlich erwartet. Nach einigem Erklären, rum Überlegen, Sachen zusammen Gesuche hatte ich eigentlich gar nichts mehr zu tun: Alle Schwestern waren beschäftigt mit Mehl sieben, Teig kneten, Nüsse reiben, Datteln (als Zusatz zu den Rosinen) zerkleinern, Schokolade schmelzen, und, und, und. Als ein Blech nach dem anderen meiner 4. Ausgewählten Plätzchensorten schließlich im Oven verschwanden, stand auch noch die letzte, geduldigste Oberschwester davor und grübelte über die Backdauer.
Fazit: die Plätzchen waren OK, manchmal hat selbst eine Oberschwester nicht recht mit der Zeit, das Hostel will bald einen zweiten Anlauf nehmen, mit den Schwestern kann man echt Spaß haben, und die Beschenkten haben sich riesig gefreut und sehr schnell unsere Tagesarbeit aufgegessen ;)
Eine kurze, sehr schöne Unterbrechung gab es bei der ganzen Aktion: bei Dunkelheit klingelte es plötzlich an der Tür: die erwarteten Carolsänger. Eine Gruppe Jugendlicher aus der Gemeinde ziehen vor Weihnachten zusammen mit dem Pastor zu den verschiedenen christlichen Einrichtungen und auch Privathäusern. Einer war als Nikolaus (mit schrecklicher hellheutiger Nikolausmaske aus Plastik)verkleidet und zusammen mit den Sängern wurde im Hausflur Lieder auf English und Hindi gesungen, wild getanzt und gute Laune verbreitet. Mit ein wenig Geld und/oder Stärkung gehts dann weiter durch die Nacht.

Zwischen den Tänzern und Sängern und natürlich Santa Klaus

Und endlich fingen auch die Weihnachtsvorbereitungen in der Schule an! Eines Tages in der Freistunde, in der ich mir auf dem Flachdach der Schule ein zweites Frühstück gönnte, fand ich endliche unserer Busfahrer am Lichterketten zusammenbauen und nachschauen. Wie mir der Direktor nachher erklärte als ich nach den Kosten der gewaltigen und in allen Farben blinkende Weihnachtsbeleuchtung fragte, sei es günstiger einzelne Lämpchen und Kabel zu kaufen als fertige Lichterketten, und so wurde vier Tage lang von bestimmt 6 Männern- und manchmal auch mir, Drähte geknipst, Isolierung entfernt und Lämpchen befestigt. Am Ende wurden die vielleicht 50 Lichterketten an der gesamten Schulfassade entlang angebracht, inklusive dem Nachbargebäude, alle in verschiedenen Farben und in verschiedenen Frequenzen blinkend, und inklusive dreier vielleicht 6 Meter hohen Drahtsternen ebenfalls mit Lichterketten versehen auf dem Schuldach- und ich beschwere mich über die fehlende Weihnachtsstimmung;)

Damit auch die geplante Krippe draußen in einer Ecke des Schulhofes passend zur großen Weihnachtsfeier am 23. fertig wird, treffen sich in den Tagen vorher einige der männlichen Lehrer nachts, um beleuchtet von hellen Bauscheinwerfern die Erde umzugraben, Styropor-Ziegel zu schnitzen, eine keine Hütte aus Bambus und Stroh zu bauen und alles ordentlich mit Graß und Heu zu verschönern. Einige Abende half ich mit und wurde so offiziell ins Krippenebau- Komitee geladen, welches den späten Abend mit Tee und Kuchen und auch mal mit einen leckeren Essen  in der Küche beschließt. Passend am 23. war auch fast alles fertig und noch am Vormittag wurden Palmen und Büsche mit bunten Kugeln, Plastikanhängern, weiter Lichterketten und einer Menge glitzerndem Lametta verfeinert.




Schon am Morgen den 23. trafen sich auch unsere schuleignende Carolsänger um ihre bereits am Vortag einstudierten Weihnachtslieder über Jingle-bell bis hin zu ruhigen Hindiliedern in die Schule heraus zu singen. Noch schnell wurden Stoffbärte angeklebt und Bäuche gebastelt und schon ging es in Teams in die verschiedenen Klassen, begleitet von Gejubel und einem Stückchen vegetarischem Weihnachtskuchen für jeden.
Das war’s auch schon an Weihnachten für die Schüler,die bis zum 27. ihre Winterferien genießen konnten, vorausgesetzt natürlich es wird nicht in den wenigen christlichen Familien Heiligabend zelebriert.
Für die 9 Schüler meines Deutschkurses gab er aber noch eine kleine Besonderheit: für heute war eine kleine Weihnachtsfeier mit Essen, heißem Kakao und Fotos und Geschichten vom Weihnachten im fernen Deutschland. Passend am Morgen ist auch ein Packet von meinen Eltern angekommen, in welches natürlich ganz vorsichtig schon einmal geschaut wurde und die Spekulatius entwendet wurden ;) So gab es also heiße Schokoladen, Samosas und deutsche Spekulatius zu den Weihnachtsritualen und Geschichten aus Deutschland (die Fotos konnten leider wegen Stromausfall erst nach Weihnachten gezeigt werden) und in meine Weihnachtsferien wurde ich ganz süß mit „Frohe Weihnachten, mam“ entlassen

unsere Weihnachtswichtel


Schon den ganzen Tag wurde hinter der Schule von externen Kochen fleißig Gemüse geschnippelt und vorbereitet- für die große Lehrer mit Familien Weihnachtsfeier am Abend. In der Konferenzhalle half ich mit einen große Weihnachtstanne zu schmücken, Luftballons zu befestigen und Stühle zu rücken.
Und schon war es 6 Uhr und Lehrerinnen in neuen Saris und Lehrer, Ehemänner und Kinder, hergerichtet wie kleine Prinzessinnen und Prinzen, strömten zur Schule. Es gab Reden über die Geschichte von Weihnachten, in Glitterpapier eingepackte Geschenke wurden in Spielen an Groß und Klein verlost und Lieder gesungen. Für jeden Staffmitglied gab es eine Timer und eine Wandkalender mit dem Logo der Schule, die Busfahrer und Frauen die in der Schule auf den Fluren sitzen, Papiere rum bringen und nach Unterrichtsschluss putzen, bekamen Hemden und Saries. Als Höhepunkt wurde die Bibel vom improvisierten Altar geholt, ein Vater las daraus vor und unter dem wunderbaren Weihnachtsgesang einer Lehrerin wurde das Jesuskind vom Altar nach draußen in die Krippe gebracht. Es war echt ein richtig schöner feierlicher Moment!! Danach ging es in die Klassenräume, wo ein langes Buffet aus Reis, verschiedenen Currys, Chapatti, Dahl und Süßspeisen  auf uns wartete.
An langen Tischen wurde zusammen gegessen, geredet und gelacht. Es wurde ein richtig schöner Abend! Um 11 verabschiedeten sich dann alle, es wurde sich gedrückt, frohe Weihnachten gewünscht und über die Geschenke gefreut…und ich half noch ein bisschen aufräumen.

Geschenke über Geschenke über Geschenke..und alle wurde verlost

Weihnachtsgesänge, Lichterketten- und plötzlich war eine wunderbare
Weihnachtsstimmung da!


Schon am nächsten Tag brachte mich Vater Santhos nach Bacheli, eine andere Stadt ca. 3 Autostunden von Jagdalpur zu einer befreundeten Familie, die mich über Weihnachten zu sich eingeladen hatte. Obwohl wir uns kaum kannten (ich hatte nur einen Tag mit ihnen verbracht einige Monate vorher) habe ich mich super gefreut sie wieder zu sehen, und sie sich ebenfalls! Marie, Biju und die zwei Töchter Shnea (14) und Steffi (7) wohnen in einem ganz einfachen, engen, kleinen Haus in einer Kolonie die von dem größten Arbeitgeber der Region gestellt wird, ein Eisenabbaufirma (Berge versetzen)
Nach einer herzlichen Begrüßung, leckerem Essen und einer Menge Gesprächen geht es auch schon los zur Kirche (die zuvor sowohl von außen über und über mit bunten Lichterketten- das scheint hier echt Trend zu sein- als auch von innen mit Ballons, Girlanden und einer wunderschönen Grippe von der Gemeindejugend geschmückt wurde) um auf dem Platz nebenan eine Gemeindeweihnachtsfeier zu halten. Sowohl Steffi als auch Shnea waren bei den Tänze und Chorgesänge beteiligt und hüpften zusammen mit den anderen Tänzern in weißen Engelskleidchen aufgeregt hinter der Bühne. Marie führte durchs Programm, Ehrengäste erschienen und hielten Reden- teils auf English aber größtenteils auf Hindi, es wurde getanzt, wunderschön gesungen und auch ich ’durfte’ auf die Bühne um eine Rede zu halten. Da ca. 80% der Anwesenden aber kein English verstehen wurde diese später noch auf Hindi übersetzt und bekam sogar Lob.

Krippe auf Indisch

meine Weihnachtsengel


Nach dieser kleinen aber sehr schönen Weihnachtsfeier für die Gemeinde ging es wieder nach Hause für kurze Zeit um sich umzuziehen (zur Feier des Tages hatte ich mich noch einmal für meinen roten Sarie entschieden, den man aber unter der Strickjacke gar nicht sehen konnte) und zu essen, um dann pünktlich um 10 wieder in der Kirche zur Weihnachtsmesse zu erscheinen. Die Messe an sich war nicht besonders feierlich, aber ich verstand die Predigt in Hindi ja auch nicht. Besonders schön waren allerdings die Trommler und Sänger die die Lieder mit ihren ursprünglichen Tönen begleiteten. Leider war mir nicht so gut (falsches Essen oder so) und ich konnte die ganze Zeremonie nicht richtig genießen.
Nach der messe wurde sich auf dem Kirchvorplatz herzlich gedrückt, Küsschen links Küsschen rechts und frohe Weihnachten gewünscht. So oft gedrückt und geküsst wie vor dieser indischen Kirche nach der Weihnachtsmesse wurde ich noch nie! Trotz dem lieben Angebot doch bedingt durch meine gesundheitlichen Umstände schon nach Hause zu gehen, wollte ich aber den weitere Verlauf den Abend nicht verpassen, der mir mit wilden Tänzen die ganze Nacht beschrieben worden war- und so kam es auch, zwar anders als gedacht aber total schön!
Als alle fertig gedrückt, umarmt und geküsst waren, Weihnachtsgeschenke an gute Freunde ausgetauscht waren und die Weihnachtskuchen gegessen war, der der Pastor am Eingang verteilte trafen sich die Trommler in der Mitte des Platze und stimmten Trommellieder der Völker hier aus den Wäldern an. Chattisgarh (der Staat in dem ich zurzeit wohne) bestehe auch fast 80% Urwald mit vielen kleinen, zum Teil noch unerforschten Völkern mit eigenen Religion und manchmal sogar eigener Sprache. Um ihre Produkte wie Gemüse oder Waldprodukte zu verkaufen, kommen die Frauen am Sonntag auf die Märkte der näheren Städte. Auch zu Festivals pilgern die ’Tribal people’  nach Jagdlapur. Dabei zeigt jeder Stamm seine eigenen Tänze mit verschiedenen fantasievollen Kostümen, Tanzschritten und eben den genannten Trommler die meist in der Mitte des Kreises auf ihren hölzernen----- Trommeln den Takt angeben.
In diesem Fall waren die Trommler zwei Jugendliche aus der Stadt und sobald diese anfingen, bildeten die anderen Jugendlichen auch schon zwei Halbkreise um sie, indem sie sich an Händen oder Hüften fassten. In verschiedenen Richtungen würde dann mit mal einfachen, mal komplizierteren Schrittfolgen und zum eingehenden Takt der Trommeln getanzt. Auch die Älteren bildeten größere Außenkreise, einer fing an mit einer Schrittfolge and alle anderen stiegen mit ein. Als ich einige Zeit mit Marie und Biju im Außenkreis getanzt hatte und mich schnell an takt und Schritfolgen gewöhnte, wurde ich herzlich bei den Jugendliche empfangen und wir tanzten immer schneller und mit umfangreicheren Schrittfolgen im Kreis. Es ist ein Riesenspaß sich zu diesem ursprünglichen Trommelrhythmus in einer Gruppe, Hand in Hand zu bewegen. Die Schritte werden nach kurzer Zeit eingängig und wenn’s einem langweilig wird, fängt man einfach mit einer neuen Schrittfolge an und die anderen steigen nach kurzer Zeit ein.
Nass geschwitzt gab es in der Pfarrküche Wasser, Tee und noch mehr Weihnachtskuchen und um 3 in der Frühe ging es wieder den kurzen weg zurück zum Haus, wo ich dann doch noch eine deutsche Tradition aufleben ließ und meine mitgebrachten Weihnachtsgeschenke unter die kleine, vollgehängte Plastiktanne legte.



mein erstes Weihnachten mit traditionellen Tänzen
-man könnte sich dran gewöhnen;)

Weihnachtskuchen


Das war also meine Weihnachtsgeschichte 2013 in Indien, mit guten Freunden, der wärme einer Familie, traditionell- untraditionell, aber auf jeden Fall ein unvergessliches Erlebnis in meinem Auslandsjahr hier in Indien.

Namastem bis bald und mein Neujahrmotto für euch, was ich bei einer ebenfalls überraschend schönen Silvesterfeier als Tatoo auf den Fußknöcheln eines Freundes gefundne habe:

Keep walking, keep questioning


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